Feld-, Wald- und Wiesen-PLM

Vor einigen Tagen lies ich mich mal wieder durch das Internet treiben. Um genau zu sein, habe ich als erstes nach dem Begriff “PLM” in der Suchmaschine meiner Wahl gesucht, um herauszufinden, auf welcher Ergebnisseite dieser Blog auftaucht. Nachdem meine Tränen der Enttäuschung ob des niederschmetternden Ergebnisses getrocknet waren, sprangen mir seltsame Links ins Auge. Die sprachen bei PLM auf einmal von “Precision Land Management”. Geprägt durch mein Elternhaus habPLM und Landwirtschafte ich durchaus eine Verbindung zur Landwirtschaft und begann voller Interesse zu lesen. Beim obigen Begriff scheint es sich um eine Art Markenbegriff des Landmaschinenherstellers New Holland zu handeln, wobei natürlich auch alle anderen Landmaschinenhersteller sich des Themas intensiv widmen. Weiteres Eintauchen zeigte mir eine bis dato eher nicht so bekannte, aber sehr faszinierende Welt der Verbindung zwischen IT und Agrarwirtschaft mit einer heterogenen Anbieterlandschaft. Dieser Blogartikel soll einmal genauer hinschauen, welche Verbindungen zum PLM (jetzt im Sinne des Product-Lifecycle-Management) gezogen werden können.


Als Erstes fallen einem Ingenieur bei der geistigen Visualisierung eines landwirtschaftlichen Betriebes die ganzen Maschinen und Anlagen ein:

  • Traktoren, Schlepper, Mähdrescher und weitere Fahrzeuge unterschiedlichster Art
  • Arbeits- und Anbaugeräte wie Pflüge, Häcksler, Mähwerke, Mulcher  
  • Fest installierte Anlagen und Geräte (Melkmaschinen, Futteranlagen, Wasserversorgung)

Das klassische Einsatzgebiet von PLM ist bei diesen Maschinen, Geräten und Anlagen die Unterstützung des Produktentwicklungsprozesses auf der Herstellerseite. Moderne landwirtschaftliche Maschinen haben nichts gemein mit der verklärt-romantischen Vorstellung eines zufriedenen,  vor sich trottenden Pferdes mit einer Pflugschar dahinter. clydesdale-1106337_1280Der Grad an Elektronik und Software in den Maschinen ist immens und beeindruckt nicht nur in der Funktion. Vor den Konfigurationsmanagern bei den Herstellern, die hier Mechanik-, Elektronik- und Softwareentwicklung unter einen Hut bringen, ziehe ich den selbigen. Das ist PLM at its  best.

Ein weiterer PLM-Aspekt ist, dass das Produkt eben nicht nur aus der Maschine oder Anlage selbst besteht, sondern zunehmend Dienstleistungen originärer Teil des Produktes sind. Ein Beispiel wären hier Serviceverträge für die Wartung und Instandhaltung oder Vernetzungs- und Ortungsfunktionen (GPS) zu nennen. Diese Dienstleistungen sind integraler Bestandteil des Produktes, haben aber einen eigenen Lebenszyklus (z.B. eine Laufzeit) – eine weitere Herausforderung auf dem Spielfeld des PLM.

Und wenn wir schon bei Service und Wartung sind, sind wir auch beim Thema  Ersatzteilversorgung. Die Verfügbarkeit von landwirtschaftlichen Geräten ist ähnlich kritisch wie der Betrieb eines PLM- oder ERP-Systems in einem Produktionsunternehmen. Oder wie lange kann ein Landwirt auf eine ausgefallene Melkanlage verzichten, wenn jeden Tag 200 Kühe gemolken werden wollen? Oder der Mähdrescher mitten in der Getreideernte kaputt gegangen ist? Der Service muss dann die korrekte Konfiguration der Anlage kennen oder zumindest schnell ermitteln können, um das passende Ersatzteil auch ausliefern zu können. Und gerade bei Elektronik gibt es aufgrund des rasanten technischen Fortschritts das Thema Obsoleszenz zu berücksichtigen. Wie ist der Weiterbetrieb sichergestellt, obwohl das defekte Elektronikbauteil gar nicht mehr verfügbar ist. Weil es dem technischen Fortschritt zum Opfer gefallen ist und gar nicht mehr hergestellt wird. Allein darüber kann man über mehrere Blogartikel lang philosophieren.

Während des Betriebs von landwirtschaftlichen Maschinen und Anlagen entstehen auch eine Menge Daten. Einen sehr schönen Abriss über “Industrie 4.0” und “Big Data” in der Agrarwirtschaft gibt ein Artikel in der Zeit. Beim Lesen des Artikels kam mir der Gedanke, dass bei einem Mähdrescher oder einem Traktor auch die Umgebung als Teil des Produktes und damit des Lebenszyklusmanagements gesehen werden muss. So ein Acker ist eben kein steriler Operationssaal und Verschleiß durch Erde, Wetter und Korrosion spielen natürlich eine gewichtige Rolle auf die Lebensdauer des Produktes. Aber gerade beim GPS-gesteuerten zentimetergenauen Ausbringen von Saatgut oder Dünger stellt sich schon die Frage, ob Verschleiß nicht signifikanten Einfluss auf die Quantität der Ausbringung nimmt. Vielleicht wird dies ja bereitsclouds-978964_1280 durch intelligente Produkte, die dies selbst nachregeln können, bewältigt. Falls sich ein Leser damit auskennt, wäre ein Kommentar toll.


Aber auch generell sind natürlich alle Daten, die heute so ein Schlepper oder Mähdrescher erzeugt, ein wertvoller Schatz für jeden Hersteller. Diese Daten liefern Hinweise für Produktverbesserung und -innovation und fließen in die Produktentwicklung des Herstellers ein – ein klassischer Anwendungsfall des Product-Lifecycle-Managements.

Mit diesem Gedankengang möchte ich diesen Blogartikel beenden. Natürlich schließt sich die Bitte an, von der Kommentarfunktion reichlich Gebrauch zu machen. Gerade hier möchte ich mal Landwirte und sonstige Experten aus der Agrarwirtschaft bitten, ihre ganz persönliche Sicht der Dinge zu schildern. Ich bin mehr als gespannt.     

 

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